Psychotherapeutische Einzeltherapie: Hintergrundtheorie

Hintergrundtheorien leiten die Arbeit eines Therapeuten/einer Therapeutin.
Sie gründen sich auf die eigene psychotherapeutische Ausbildung und die Theorien und Methoden, die in diesem Kontext erworben wurden. Sie werden durch Erfahrungswissen und Weiterentwicklung dieser Grundlagen ergänzt.

Im Folgenden sollen einzelne Zugänge der Gestalttherapie in ihren Ursprüngen vorgestellt werden. Sie sind meiner Graduierungsarbeit entnommen. Eine kurze Literaturliste soll die Möglichkeit bieten, die theoretische Verortung sichtbar zu machen (siehe PDF und Button).

Wichtige Begriffe der Gestalttherapie sind SELBSTREGULATION, SELBST, KONTAKT an der SYSTEM/UMWELTGRENZE und DIALOG.

Selbstregulation

Perls war überzeugt, dass alle lebendigen Organismen sich auf natürliche Weise selbst regulieren. Sie haben Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen, wenn sie überleben wollen. Dieses Prinzip der organismischen Selbstregulation sieht er folgendermaßen:
„Das Feld als Ganzes strebt nach Vervollständigung, Erreichen des einfachsten Gleichgewichts, das auf der jeweiligen Stufe des Feldes möglich ist. Da aber die Bedingungen stets wechseln, ist das erreichte Partialgleichgewicht immer wieder ein Neues. Der Organismus erhält sich nur, indem er wächst. Selbsterhaltung und Wachstum sind Pole auf einem Kontinuum, denn nur was sich erhält, kann durch Assimilation wachsen, und nur, was immer wieder Neues assimiliert, kann sich erhalten, ohne zu degenerieren“ (Perls/Hefferline/Goodman 1979a/1951).

Das SELBST

Das komplexe System des „Selbst“ leistet die zur Anpassung in einem schwierigen Feld notwendigen Kontakte. Man kann das „Selbst“ als die Grenze des Organismus betrachten, aber die Grenze ist ihrerseits nicht isoliert von der Umwelt, sondern sie vermittelt den Kontakt zur Umwelt und gehört beidem an, dem Organismus und der Umwelt. Das „Selbst“ ist nicht als Institution mit festem Standort zu denken, es existiert, wo und wann immer eine Grenzinteraktion stattfindet. Perls, Hefferline und Goodman (1979a/1951a) definieren drei wesentliche Strukturen des „Selbst“: das „Ich“, das „Es“ und die „Persönlichkeit“.

Kontakt

Kontaktnahme ist im allgemeinsten Sinn das Wachsen des Organismus. Mit Kontaktnahme meinen wir: Nahrungssuche durch Essen, Liebe und Liebesakt, Angreifen, Kämpfen, Kommunizieren, Wahrnehmen, usw., also jede Funktion, die in erster Linie als ein Geschehen an der Grenze im Organismus/Umwelt-Feld zu verstehen ist. (Ovsiankina 1928, in: Clarkson/Mackewn 1995).

Kommunikation und Dialog

Kontakt und Kontaktnahme sind Teil des Dialogs. Der Begriff des Dialoges wird von Perls selbst nicht gebraucht. Perls bezieht sich z.B. in seinem Vortrag 1957 auf Buber und beschreibt das, was Buber als Dialog bezeichnet, unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation (Perls 1980a/1957).

Gestaltzyklus

Wird der Prozess der Selbstregulation unterbrochen, wird die Fähigkeit des Menschen durch Kontakt und Assimilation neuer Elemente an seiner Umwelt zu wachsen, ebenfalls unterbrochen. Wird ein solcher Aufschub der Befriedigung von wichtigen Bedürfnissen chronisch, verliert das Bedürfnis an Dynamik, wird verzerrt oder fixiert:
„Die unerledigten Situationen schreien nach einer Lösung, aber wenn sie von der Bewusstheit ferngehalten werden, resultieren daraus neurotische Symptome und die neurotische Charakterbildung“. (Perls 1948, in: Clarkson/Mackewn 1995). Der Mensch möchte die Gestalt schließen, strebt verzweifelt danach und gibt auf: „In jeder einzelnen Erfahrung werden alle Kräfte des Selbst mobilisiert, um die Situation so gut wie möglich abzuschließen, sei es in einem Kontaktvollzug oder in einer Fixierung“. Das vorzeitige Abschließen kann jedoch niemals befriedigend sein, weil das ursprüngliche Bedürfnis unerfüllt bleibt (Perls/Hefferline/Goodman, in: Clarkson/Mackewn 1995).

Offene Gestalt

In der Gestalttherapie geht es daher darum, am Schließen einer „offenen Gestalt“ zu arbeiten, d. h. jene Muster und Verstrickungen aufzuspüren, die im Vordergrund als Leidensdruck sichtbar werden.

Die hier angesprochenen Aspekte der Gestalttherapie sind natürlich nur ein kurzer Einblick in die Theorie und Arbeitsweise. Bei Interesse an einer Vertiefung wird auf die Literaturliste verwiesen. Weitere Zugänge der Gestalttherapie werden darüber hinaus unter den Hintergrundtheorien meiner Arbeit zu Paaren angesprochen.